Ohne Angst, Großes in Angriff zu nehmen

"Ich sehe wohl, dass einige schreiben, ich sei ein Heiliger, ich weiß aber, dass das nicht wahr ist, denn ich bin ein Sünder. Andere schreiben, ich sei ein Teufel, aber das ist auch nicht wahr, denn ich bin Sohn Gottes." Ich denke, diese Worte erklären zum einen die Freude, die der hl. Josefmaria ausstrahlte, da er nie beleidigt war, und zum anderen seinen apostolischen Eifer, der ihn antrieb, im vollen Vertrauen auf Gott, seinen Vater, große Dinge zum Wohl der Kirche in Angriff zu nehmen.

Prof. César Ortiz-Echagüe

Er wurde 1927 in Madrid geboren. Ab 1952 war er als Architekt tätig. Im Januar 1945 lernte er den heiligen Josefmaria kennen, und im Oktober desselben Jahres bat er um die Aufnahme ins Opus Dei. Von der Zeit an hatte er häufigen Kontakt mit dem heiligen Josefmaria, der bei seinen zahlreichen Aufenthalten in Spanien im Sitz der Regionalleitung wohnte. Außerdem reiste Ortiz-Echagüe in diesen Jahren oft nach Rom, wo er an der Seite des heiligen Josefmaria arbeitete. Als dieser starb, berief ihn sein Nachfolger, Bischof Alvaro del Portillo, in die Zentralleitung des Werkes. 1983 weihte ihn Papst Johannes Paul II. im Petersdom zum Priester. 1984 wurde er nach Deutschland geschickt, wo er bis 1996 das Amt des Regionalvikars innehatte. Zur Zeit lebt er in Essen.

Sie kannten den Gründer des Opus Dei sehr gut. Könnten sie uns seine Persönlichkeit näher bringen?

Seine Persönlichkeit hatte ungewöhnlich viele Facetten, daher ist es für mich nicht leicht, sie mit wenigen Worten zu umreißen. Er war sehr menschlich, aber diese Menschlichkeit wurde durch die übernatürlichen Tugenden bereichert, unter denen ich seine Gottesliebe und sein Gottvertrauen wie auch seine Demut hervorheben möchte. Eine kleine Begebenheit, deren Zeuge ich war, kann helfen, das zu verstehen.

Zu Beginn der 70er Jahre erschienen in der spanischen Presse viele Artikel über das Opus Dei, das von einigen positiv beurteilt, von anderen jedoch angegriffen wurde. Alle bezogen sich auch auf den Gründer, für oder gegen den man Partei ergriff. Vor einer seiner Reisen nach Spanien stellten wir ein Dossier mit diesen Artikeln – der einen und anderen Seite – zusammen, welches wir ihm bei seinem Aufenthalt übergaben. Ich war dabei, als er es in die Hand nahm und anfing, darin zu blättern. Nachdem er verschiedene Texte der einen wie der anderen Couleur gelesen hatte, legte er den Ordner auf den Tisch und sagte mit einem Lächeln:

„Ich sehe wohl, dass einige schreiben, ich sei ein Heiliger, ich weiß aber, dass das nicht wahr ist, denn ich bin ein Sünder. Andere schreiben, ich sei ein Teufel, aber das ist auch nicht wahr, denn ich bin Sohn Gottes.“

Ich denke, diese Worte erklären zum einen die Freude, die er ausstrahlte, da er nie beleidigt war, und zum anderen seinen apostolischen Eifer, der ihn antrieb, im vollen Vertrauen auf Gott, seinen Vater, große Dinge zum Wohl der Kirche in Angriff zu nehmen.

Was haben diese Jahre in der Nähe des heiligen Josefmaria für Sie bedeutet? Was hat Ihnen am meisten geholfen?

Zweifellos hat mir diese Nähe vor allem geholfen, Christus besser zu kennen und mehr zu lieben. Schon 1945, als ich ihn kennen lernte, beeindruckte mich der innige persönliche Umgang, den Msgr. Escrivá mit Gott hatte. Wie für viele Christen ist Jesus Christus für mich Gott, aber damals war er für mich jemand, der weit weg war, der vor zweitausend Jahren gelebt hatte, der im Himmel ist, aber nicht zum Kreis meiner engsten Freunde gehört. Im heiligen Josefmaria traf ich auf einen Priester, dessen bester Freund zweifelsohne Christus war.

Mit einem Bleistiftspitzer

Der heilige Josefmaria hat mich gelehrt, Christus als Freund zu behandeln, und das in den alltäglichen Situationen. Als ich noch Architekturstudent war, fragte er mich eines Tages:

„César, sag mir, was du im Laufe des Tages immer wieder tun musst.“

In dieser Zeit musste ich viel zeichnen und wir hatten noch keine Bleistifte mit Minen. Daher sagte ich:

„Vater, ich verbringe viele Stunden des Tages damit, den Bleistift zu spitzen.“

„Dann nutz das aus“, schlug er mir vor. „Bete jedes Mal, wenn du den Spitzer drehst, ein Stoßgebet und opfere Gott deine Arbeit auf. Das wird ihm viel Freude machen.“

Aber ich habe auch von ihm gelernt, dass ich meine Arbeit nur aufopfern kann, wenn ich sie sehr gut mache und damit den anderen nütze. Und das habe ich mein ganzes Leben zu tun versucht.

Hat die Tatsache, dass der heilige Josefmaria Spanier war, einen Einfluss auf den Geist des Opus Dei gehabt? Kann ihn ein Kölner ebenso gut verstehen wie jemand aus Madrid?

Der heilige Josefmaria liebte Spanien sehr. Er kannte dieses Land sehr gut, da er ständig darin unterwegs gewesen war. Er kannte seine Landschaften und seine Bevölkerung, und er sprach sehr gut spanisch. Aber er hatte einen universellen katholischen Geist. Seine Botschaft vom allgemeinen Ruf zur Heiligkeit, der später feierlich vom Zweiten Vatikanischen Konzil verkündet wurde, ist für einen Deutschen aus Köln eben so gut verständlich wie für einen „Madrileño“.

Der heilige Josefmaria predigte und schrieb viel, um seine Botschaft bekannt zu machen. Bis auf einige Ausnahmen, wo er sich auf italienisch ausdrückte, verwendete er immer die spanische Sprache. Er brachte lebendige Beispiele, die ein Deutscher genau so gut versteht wie ein Spanier. Allerdings ist es für einen Deutschen, selbst wenn er spanisch kann, nicht leicht, den ganzen Reichtum der gesprochenen und geschriebenen Sprache des heiligen Josefmaria zu erfassen. Ein deutscher Professor, der bereits verstorbene Professor Flasche, hat eine Geschichte der spanischen Literatur geschrieben. In seinem letzten Band widmet er Msgr. Escrivá eine ganze Seite und vergleicht seinen Stil, besonders im „Weg“, mit dem der besten spanischen Klassiker, sogar einiger relativ moderner Schriftsteller wie Juan Ramón Guiménez oder Antonio Machado.

Die Übersetzungen

Daher ist es keine leichte Aufgabe, seine Schriften gut zu übersetzen, oder auch seine Worte, wenn man die Filme von Treffen mit ihm synchronisieren will. Abgesehen davon, dass deutsch und spanisch sehr verschieden sind, finden sich in der religiösen spanischen Literatur viele Allegorien, die für den heutigen Deutschen schwer verständlich sind, da seine Sprache sehr sachlich ist. Seit vielen Jahren arbeiten wir in Deutschland daran, die Übersetzungen der Schriften des heiligen Josefmaria zu verbessern, und nach dem zu urteilen, was ich von den Deutschen selbst höre, gelingt das auch mehr und mehr. Wir haben es mit einem ähnlichen Problem zu tun wie bei den Übersetzungen der Werke der hl. Theresia oder des hl. Johannes vom Kreuz ins Deutsche.

Torreciudad, Nordspanien

In seiner Jugend wollte der heilige Josefmaria Architekt werden. Wir meinen zu wissen, dass Sie in Kontakt mit ihm waren, als er ein Bauvorhaben verwirklichte, dass er selbst eine Verrücktheit nannte: die Wallfahrtsstätte von Torreciudad. Was bewegte den heiligen Josefmaria, ein solches Projekt in Angriff zu nehmen? Wie verfolgte er seine Ausführung? Können Sie etwas darüber berichten?

In der Tat hatte ich die Chance, die Planung und Ausführung dieses Projekts ganz aus der Nähe und in engem Kontakt mit dem heiligen Josefmaria zu verfolgen. Schon in den 50er Jahren hatte ich ihn sagen hören, er wolle nicht sterben, ohne dass er eine große und schöne Kirche zu Ehren der Muttergottes habe bauen lassen. Sie sollte Zeugnis geben von seiner Dankbarkeit für die Gnadenerweise, die er persönlich und auch das Opus Dei von ihr erhalten hatten. Außerdem sollte sie dazu dienen, dass viele Menschen mit der Hilfe Mariens in dieser Kirche das Sakrament der Buße empfingen. Aber die konkrete Nachricht, dass sein Wunsch in Torreciudad verwirklicht werden sollte, kam mir zum ersten Mal im September 1962 zu Ohren. Zu der Zeit begleitete ich Don Florencio Sánchez Bella, den damaligen Consiliarius des Opus Dei in Spanien, der von den zuständigen Bischöfen die Kapelle erwerben sollte, in der die Statue Unserer Lieben Frau von Torreciudad verehrt wurde. Es ist die kleine Kapelle, zu der die Eltern des heiligen Josefmaria ihren knapp zweijährigen Sohn gebracht hatten, um der Muttergottes für seine Heilung zu danken.

Den Auftrag zu diesem Projekt erhielt ein sehr viel jüngerer Architekt als ich, Heliodoro Dols, der, wie man sehen kann, seine Sache ausgesprochen gut gemacht hat. Da ich zu der Zeit der einzige Architekt war, der in der Leitung des Werkes in Spanien arbeitet, fiel mir die Aufgabe zu, alles, d.h. die Arbeit der Architekten, der Bildhauer, der Maler und Anstreicher usw., zu koordinieren. Außerdem nutzte ich meine Fahrten nach Rom, um unseren Gründer über den Fortschritt der Planung und dann der Bauarbeiten zu informieren. Auch Heliodoro reiste ein paar Mal nach Rom, um mit dem heiligen Josefmaria über das Projekt zu sprechen. Wir wussten beide, dass Msgr. Escrivá von Jugend an ein besonderes Interesse an Architektur hatte. Durch die Arbeiten an den Bauten des Zentralsitzes in Rom hatte er zudem viele Erfahrungen auf diesem Gebiet gesammelt.

Daher waren wir beeindruckt, wie viel Freiheit er uns ließ, was den Stil und die baulichen Lösungen angingen. Er sah auf diesem Gebiet wirklich von seinen persönlichen Vorstellungen ab, machte uns aber viele Vorschläge und brachte uns auf Ideen, die dazu dienen sollten, die Frömmigkeit der Pilger von Torreciudad zu fördern und die Möglichkeiten zu schaffen, sie geistlich gut zu betreuen.

Aus diesen Jahren der Vorbereitung und Fertigstellung von Torreciudad könnte ich viele Geschichten von den zahlreichen Treffen und Arbeitsgesprächen mit dem heiligen Josefmaria erzählen. Ich werde mich auf eine beschränken.

Wir hatten ihm häufig vorgeschlagen, auf einer seiner vielen Reisen nach Spanien mit uns nach Torreciudad zu fahren, damit er den Ort kennen lernte, wo er nur in den Armen seiner Eltern gewesen war. Aber er hatte uns immer geantwortet, dass er erst nach Beginn der Bauarbeiten hinfahren wollte, um sie zu segnen und die Muttergottes zu bitten, es möge während der ganzen Zeit keine Unfälle geben. Ende 1969 konnten die Arbeiten an jenem steil abfallenden und einsam gelegenen Ort endlich beginnen, und im April 1970 machten wir uns mit dem heiligen Josefmaria auf den Weg.

40 Beichtstühle

Wir übernachteten in Saragossa und fuhren am nächsten Tag weiter, nachdem wir in der Kathedrale vor Unserer Lieben Frau von Pilar gebetet hatten. Ich fuhr den Wagen. Inzwischen hatte ich das Gebiet besichtigt, wo Torreciudad entstehen sollte. Es war eine arme Gegend, weit von jeder wichtigen Stadt entfernt und kaum bewohnt. Bei einem Gespräch mit unserem Gründer hatte ich daraufhin zum Ausdruck gebracht, dass es mir schwer fiel, seinen Wunsch zu verstehen, den wir mit eingeplant hatten und der gerade seine praktische Umsetzung fand, dass nämlich unter der Kirche eine große Krypta mit vierzig Beichtstühlen gebaut würde. Zum Einen begann man gerade die Auswirkungen der Krise in der Praxis dieses Sakramentes zu bemerken, und zum Anderen fragte ich mich: Wie konnte man Priester für alle diese Beichtstühle finden, und woher sollten die Menschen kommen, um sie zu benutzen?

Damals hatte mir der heilige Josefmaria keine Antwort gegeben, aber während der Fahrt von Saragossa nach Torreciudad konnte er sich von der von mir erwähnten Tatsache, dass jenes Gebiet ziemlich unbewohnt war, selbst überzeugen. Mitten in unserer Unterhaltung im Auto fragte er mich:

„Was habe ich euch gesagt, wie viele Beichtstühle es in Torreciudad geben soll?“

Ich antwortete: „Vierzig, Vater.“ Daraufhin sagte er zu mir:

„Ihr werdet denken, dass ich verrückt bin. Vierzig Beichtstühle in dieser Gegend am Ende der Welt! Nun gut, wir wollen vernünftig sein. Baut erst einmal zwanzig. Aber lasst den für die anderen zwanzig vorgesehenen Platz frei. Ich bin sicher, dass mit der Zeit viele Menschen nach Torreciudad kommen werden und dass die Muttergottes einen großen Teil von ihnen dazu bewegen wird, zur Beichte zu gehen.“

Wir taten, was er uns gesagt hatte. Als unser Gründer im Mai 1975 in Torreciudad war, war er der Erste, der in einem dieser Beichtstühle beichtete. Einen Monat später starb er. Im Oktober desselben Jahres zog ich nach Rom, um im Zentralrat des Werkes zu arbeiten. Als ich Spanien verließ, war ich überzeugt, dass viele Jahre vergehen müssten, bevor es nötig sein würde, die restlichen zwanzig Beichtstühle einzubauen. Aber schon nach kurzer Zeit erfuhr ich, dass man es hatte machen müssen, denn wenn die Pilgerströme an den Wochenenden kamen, gab es manchmal so viele von ihnen, die nach einem Gebet vor dem Marienbild den Wunsch verspürten, zur Beichte zu gehen, dass diese Erweiterung notwendig wurde. Das Problem der Betreuung dieser vierzig Beichtstühle wurde ohne Schwierigkeiten durch Priester gelöst, die in der theologischen Fakultät von Pamplona studierten und am Wochenende gerne mit dem Bus nach Torreciudad fuhren, um dort Beichte zu hören.