Der Kreuzweg ist keine trübselige Übung

Der hl. Josefmaria hat oft betont, dass die Wurzel der christlichen Freude die Form des Kreuzes hat. Das Leiden Christi ist der Weg des Schmerzes, aber auch der Weg der Hoffnung.

„Der Kreuzweg ist keine trübselige Übung. Msgr. Escrivá de Balaguer hat oft betont, daß die Wurzel der christlichen Freude die Form des Kreuzes hat. Das Leiden Christi ist der Weg des Schmerzes, zugleich aber auch der Weg der Hoffnung und des unverlierbaren Sieges.“

(Alvaro del Portillo, Vorwort zum Buch Der Kreuzweg des heiligen Josefmaria)

Der Kreuzweg besteht darin, 14 Stationen auf dem Weg Jesu zum Golgota an jenem ersten Karfreitag zu betrachten und dabei über die Leiden Christi nachzudenken und sich innerlich mit ihm zu verbinden. Der heilige Josefmaria liebte diese Andachtsübung sehr, wie Bischof Javier Echevarría in seinen Erinnerungen hervorhebt:

Er betete sehr gerne den Kreuzweg. Es überraschte uns daher nicht, als er sich einmal zu Weihnachten einen tragbaren Kreuzweg wünschte, damit er ihn immer bei sich haben und die Szenen der Passion, die ihm so viel bedeuteten, betrachten konnte.

Ich habe häufig mit ihm den Kreuzweg gebetet – Bischof Alvaro del Portillo war meist auch dabei – und ich konnte dabei beobachten, mit welcher Andacht er sich nach der Nennung jeder Station hinkniete. Er betrachtete diese Szenen auf dem Weg zum Golgota normalerweise jeden Freitag, und das galt um so mehr in der Fastenzeit.

Uns legte er nahe, jene Augenblicke, in denen sich die Erlösung des Menschengeschlechtes vollzieht, in unserer Vorstellung festzuhalten und sie wie in einem Film zu betrachten, und zwar so, daß wir uns in jeden Moment des Geschehens versetzen könnten, als seien wir selbst dabei. Das sollte uns helfen, Reue für unsere Sünden zu erwecken, Jesus zu begleiten und uns bewußter zu werden, daß wir gerufen sind, Miterlöser zu sein.

Am 14. September 1969 zeigte er uns mit großer Ehrfurcht eine Reliquie des Heiligen Kreuzes. Dabei sprach er ausführlich vom Leiden und Tod unseres Herrn Jesus Christus. Ich will hier nur einige seiner Gedanken wiedergeben: Wir lieben das Kreuz wirklich – und das sollten wir auch, denn wo das Kreuz ist, da ist Christus mit seiner Liebe, mit seiner alles erfüllenden Gegenwart... Meine Kinder, der Geist des Werkes erlaubt uns nicht, jemals vor dem Kreuz, vor dem Heiligen Kreuz, zu fliehen, in dem wir Frieden, Freude, Gelassenheit und Stärke finden... In diesem Reliquienschrein, den wir hier aufbewahren, wird ein Stück des Lignum Crucis verehrt, das sich in Santo Toribio de Liébana befindet. Der Bischof von León hat es mir vor vielen Jahren geschenkt. Mich stört es ziemlich, wenn man das Kreuz als Synonym für Widerspruch und Abtötung gebraucht. Das Kreuz ist etwas Positives, seit Gott uns durch das Kreuz das wahre Leben schenken wollte... Nach dem Segen mit diesem Kreuz, den man uns gleich geben wird, werden wir es küssen und dabei ganz ehrlich sagen, daß wir es lieben. Wir sehen in ihm nicht mehr das, was uns schwerfällt oder schwerfallen kann, sondern die Freude, uns hingeben, uns von allem freimachen zu können, was uns hindert, der umfassenden Liebe Gottes zu begegnen... Unter diesen Schrein habe ich schreiben lassen: iudaeis quidem scandalum, gentibus autem stultitiam! [„für Juden ein empörendes Ärgernis, für Heiden eine Torheit“; 1 Korinther 1, 23], denn für die Unverständigen ist das Kreuz skandalös und unbegreiflich.

Im Jahr 1970 gab er uns einen neuen Impuls in dieser Richtung: Nur wenn wir uns immer neu mit der Passion Christi verbinden, können wir nützliche Werkzeuge sein, auch wenn wir viele Fehler haben. Es ist unmöglich, seine zahlreichen und vielfältigen Betrachtungen voll auszuschöpfen. Mir scheint, daß folgender Gedanke, den er in der Karwoche jenes Jahres äußerte, seine innerste Verbundenheit mit dem Kreuzesopfer gewissermaßen auf den Punkt bringt: Die Passion unseres Herrn – aus ihr schöpfen wir wirklich alle Kraft. Wenn ich an die Passion Christi denke, kommt mir sofort in den Sinn, was ich in diesen zweiundvierzig Jahren meines Lebens im Opus Dei und auch in den Jahren vorher, als Gott mich darauf vorbereitete, gemacht habe. Und ich sehe, daß ich nichts bin – weniger als nichts. Ich bin nur ein Störfaktor gewesen. Daher empfinde ich jeden Tag aufs neue das Bedürfnis, mich klein zu machen, so winzig, daß ich mich in den Händen Gottes bergen kann. Und ich tröste mich mit dem, was ich oft geschrieben habe: Was tut ein kleines Kind? Es schenkt seinem Vater einen Soldaten ohne Kopf, eine alte Garnrolle, eine billige Glasmurmel. Und ich mache es genauso. Das wenige, was ich habe, möchte ich ihm ohne Abstricheund von Herzen schenken. Meine Winzigkeit, eingeschmolzen in die Passion Christi, erhält so erlösende, rettende Wirksamkeit – nichts geht verloren!

Auszug aus dem Buch: Memoria del Beato Josemaría Escrivá, Javier Echevarría y Salvador Bernal, Madrid 2000