Das Opus Dei – eine Wende in der Geschichte der Laienspiritualität

Stolz wurde auf das weltweite Presseecho hingewiesen, das der Tod des Gründers von „Opus Dei“ allenthalben hervorgerufen hatte. Besonders dankbar wurde in Opus-Dei-Kreisen ein Artikel aus der Feder von Kardinal Sebastiano Baggio, Präfekt der vatikanischen Kongregation für die Bischöfe, aufgenommen, der Ende Juli im Mailänder „Avvenire“ veröffentlicht wurde. Er gewährt einen guten Einblick in die moderne Spiritualität, die beim Opus Dei gepflegt wird.

Nach dem Tod von Monsignore Josemaria Escriva de Balaguer konzentriert sich das öffentliche Interesse darauf, wer „Opus Dei“, das Werk des großen spanischen Priesters, weiterführen wird. Unter den Mitgliedern von „Opus Dei“ ist man sehr zuversichtlich, daß sich die Idee des Gründers schnell weiter ausbreiten wird. Stolz wird auf das weltweite Presseecho hingewiesen, das der Tod des Gründers von „Opus Dei“ allenthalben hervorgerufen hat. Besonders dankbar wurde in Opus-Dei-Kreisen ein Artikel aus der Feder von Kardinal Sebastiano Baggio, Präfekt der vatikanischen Kongregation für die Bischöfe, aufgenommen, der Ende Juli im Mailänder „Avvenire“ veröffentlicht wurde und der einen guten Einblick in die moderne Spiritualität gewährt, die bei „Opus Dei“ gepflegt wird.

Der Gründer des Opus Dei, Msgr. Josemaria Escrivá de Balaguer, starb im Alter von 73 Jahren unerwartet am vergangenen 26. Juni in Rom, wo er seit 1946 wohnte, und wurde in der Krypta der Kapelle Unserer Lieben Frau vom Frieden, Viale Bruno Buozzi 75, im Gebäude der Zentralleitung dieser Vereinigung, beigesetzt. Er hatte Rom zum Zentrum des Opus Dei gemacht, um damit dessen universalen, katholischen und römischen Geist im Sinne einer verantwortlichen und liebevollen Treue gegenüber dem Stuhl Petri zu unterstreichen. In weniger als einem halben Jahrhundert nach ihrer Gründung besitzt die Vereinigung, die er zurückläßt, vollste Lebens- und Ausdehnungskraft und trägt eindeutig den Charakter, den er ihr einprägen wollte und konnte.

Noch in eben jenem Jahr, 1946, hatte ich das Glück, Msgr. Escrivá de Balaguer persönlich kennenzulernen; und von da an verband mich mit ihm eine Freundschaft voll gegenseitiger Hochschätzung und herzlichen Wohlwollens. Es beeindruckte mich, daß der Sitz der schon damals bedeutenden Vereinigung nichts mit hergebrachten kirchlichen Baulichkeiten gemeinsam hatte: Wohn- und Arbeitsräume, die ineinander übergingen, alle verschieden eingerichtet wie in sonst einer Wohnung oder Villa im Stadtviertel Parioli; ohne Beschilderungen oder Aufschriften; ein einladendes, helles Milieu, wohnlich aufgelockert durch Pflanzen und Blumen, geschmackvoll gestaltet; ein eleganter Stil, dem einige von den Familien der Gastgeber stammende Dekorationsgegenstände eine besondere Note gaben, und der der liebevollen Mühe und dem Talent der Architekten und Künstler des Opus Dei, die dort gearbeitet hatten, alle Ehre machte. Der zuvorkommende Gastgeber erklärte mir, daß dieser vielleicht ungewohnte Stil ebenfalls zur laikalen Spiritualität des Opus Dei gehöre: die Heiligung des Alltags erfordere ein radikal christliches Leben innerhalb der jedem eigenen sozialen Stellung, ohne deren natürliches Gepräge und Gefüge krampfhaft ändern oder gar ihm willkürlich, ja womöglich verbittert den Rücken kehren zu wollen. Vor der Versuchung der Evasion – ein an derer sein zu wollen als der man ist – wird Msgr. Escrivá de Balaguer in einer Homilie an Universitätsstudenten in eindrucksvollen Worten warnen; er nennt sie „la mistica del ojalá“, die Ach-wenn-doch-Mystik.

Obwohl oder vielleicht gerade weil so viel geschrieben worden ist über das Opus Dei und seinen Gründer, und das oft polemisierend, wenn nicht geradezu phantasierend, fehlt uns Zeitgenossen wahrscheinlich die nötige Perspektive, um die ganze geschichtliche Tragweite der unter so vielen Aspekten revolutionären und bahnbrechenden Lehre sowie der an Durchschlags- und Ausstrahlungskraft ihresgleichen suchenden pastoralen Tätigkeit dieses hervorragenden Kirchenmannes gebührend auszuloten. Aber es steht heute schon außer Zweifel, daß das Leben, das Werk und die Botschaft von Msgr. Escrivá de Balaguer eine Wende oder besser gesagt ein neues und eigenständiges Kapitel in der Geschichte der christlichen Spiritualität darstellen, wenn wir diese Geschichte – und so muß es sein – als einen geradlinigen vom Heiligen Geist gewiesenen Weg betrachten.

Msgr. Escrivá de Balaguer war ein zurückhaltender und bescheidener Mann, der die Publizität und das laute Getriebe mied; er reiste nicht umher, um Vorträge zu halten, obgleich er ein unermüdlicher Verkünder des Wortes Gottes war, und seine Verfügbarkeit in der Ausübung seines priesterlichen und väterlichen Amtes keine Grenzen kannte; er gab keine Presseinterviews außer wenn es unumgänglich war; in der Homilie anläßlich der feierlichen Totenmesse in Rom erinnerte Don Mario Lantini, der Consiliarius des Opus Dei in Italien, an die Worte, mit denen sich Msgr. Escrivá kurz vor seinem goldenen Priesterjubiläum an die Seinen gewandt hatte: „Ich will keine besonderen Feierlichkeiten, denn ich möchte diesen Gedenktag meiner Gepflogenheit gemäß in aller Stille verbringen: meine Aufgabe ist es, verborgen zu bleiben und zu verschwinden, damit allein Jesus ins Licht trete.“

Und doch war er in der ganzen Welt bekannt. Das Opus Dei, die internationale Vereinigung, die er 1928 gründete, zählt gegenwärtig etwa 60 000 Mitglieder aus allen Ländern der Erde, Männer und Frauen aller Berufe und sozialen Schichten. Hinzu kommt, daß Millionen von Menschen in den geistlichen und pastoralen Schriften von Msgr. Escrivá de Balaguer Impuls und Anleitung zum Gebet und zur Heiligung ihrer täglichen Arbeit gefunden haben; vor allem in seinem Buch „Der Weg“, das einmal jemand „die Nachfolge Christi des 20. Jahrhunderts“ genannt hat, und das bisher 120 Ausgaben in 30 Sprachen mit einer Gesamtauflage von fast zweieinhalb Millionen Exemplaren erlebt hat; bis hin zu seiner neuesten Veröffentlichung, dem Buch „Christus begegnen“, das 18 Homilien zu den Hauptfesten des liturgischen Jahres enthält.

Heiligkeit für den Mann auf der Straße

Von Anfang an hat der Gründer des Opus Dei erklärt, daß die Heiligkeit nicht ein Ideal für Privilegierte ist, sondern für alle, die ihr Leben ernsthaft nach dem Evangelium ausrichten und dem kirchlichen Lehramt treu sein wollen, ganz gleich, in welcher Lebensstellung sie sich befinden. Dies schien damals vielen eine Irrlehre (ein bloßer Blick in die „Philothea“ des heiligen Franz von Sales hätte sie eines Besseren belehrt); nach dem II. Vatikanischen Konzil ist diese These zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Aber was weiterhin revolutionär ist an der geistlichen Botschaft von Msgr. Escrivá de Balaguer, ist die praktische Art und Weise, wie er Männern und Frauen aller Schichten, kurz. dem Mann auf der Straße, den Weg zur Heiligkeit geebnet hat.

Die praktische Konkretisierung dieser Botschaft hängt aufs engste zusammen mit drei für die Neuheit der Spiritualität des Opus Dei typischen Merkmalen: 1. allem zuvor, dürfen die gewöhnlichen Christen – die Laien – die Weit nicht verlassen oder verachten, sondern sie müssen mitten in der Welt bleiben und das Leben ihrer Mitmenschen teilen und lieben; 2. mitten in der Welt lebend, müssen sie jedoch den übernatürlichen Wert aller Gegebenheiten ihres alltäglichen Lebens entdecken, bis hin zu den prosaischsten und materiellsten Dingen; 3. mithin ist die tägliche Arbeit – d. h. die Beschäftigung, die die meiste Zeit in Anspruch nimmt und die die Persönlichkeit des gewöhnlichen Menschen entscheidend prägt – das Erste, was es zu heiligen gilt und gleichzeitig das erste Instrument des Apostolates.

Diese drei Grundgedanken möchte ich etwas näher erläutern; und das kann nicht treffender und besser geschehen als durch die Worte des Gründers des Opus Dei selbst. Im Folgenden zitiere ich vor allem aus einer Homilie, die er 1967 gehalten hat und die dann unter dem bezeichnenden Titel „Die Welt leidenschaftlich lieben“** in dem Band „Gespräche mit Msgr. Escrivá de Balaguer“ (2. Aufl., Köln 1971) veröffentlicht wurde.

Freiheit und Verantwortung der Laien

Das erste Prinzip könnte man theologisch bezeichnen als das Prinzip der Säkularität oder der Laienmentalität. Um sich diese Mentalität zu eigen zu machen, hat Msgr. Escrivá de Balaguer immer empfohlen, beim Geist der ersten Christen in die Schule zu gehen, sich in die Zeiten der jungen Kirche zu versetzen, als die Gläubigen sich bemühten, das Evangelium mitten in der Welt zu leben, voll Anteil nehmend an allem menschlichen Sorgen und Schaffen, das die Gesellschaft bewegte, in der sie lebten. So wie die ersten Christen – Männer und Frauen, Junge und Alte, Patrizier und Plebejer und Sklaven – sich im alltäglichen Leben heiligten und die heidnische Welt zu bekehren vermochten, genauso sind die Christen von heute aufgerufen – soweit sie nicht zum Ordensstand berufen sind –, die Welt von innen her zu heiligen. „So brauche ich wohl auch nicht ein weiteres Mal darauf hinzuweisen – sagte er bei jener Gelegenheit –, daß die Männer und Frauen, die sich entschlossen haben, Christus im Opus Dei zu dienen, ganz normale Staatsbürger sind, die sich bemühen, ihre christliche Berufung in ernster Verantwortung und mit all ihren Konsequenzen zu leben. Nichts unterscheidet die Mitglieder des Opus Dei von ihren Mitbürgern.“

Die praktischen Konsequenzen einer echten Laienspiritualität entgingen Msgr. Escrivá de Balaguer keineswegs: „Wie viele Bereiche eures Lebens werden durch diese Wahrheit erhellt! Denkt zum Beispiel an euer Verhalten als Mitglieder der menschlichen Gesellschaft. Wer davon überzeugt ist, daß die Welt – und nicht nur das Gotteshaus – der Ort seiner Begegnung mit Christus ist, der liebt diese Welt wirklich; er bemüht sich um eine gute wissenschaftliche und berufliche Ausbildung, bildet sich in voller Freiheit seine eigene Meinung über die Probleme, die ihm begegnen, und trifft dementsprechend auch seine persönlichen Entscheidungen. Als Christ wird er seinen Entscheidungen eine persönliche Besinnung vorausgehen lassen, in der er sich demütig darum bemüht, den Willen Gottes in den kleinen und großen Ereignissen seines Lebens zu erkennen.“ Und hier, an diesem Punkt, wird auch die bezeichnende Abneigung von. Msgr. Escrivá de Balaguer gegenüber jeglicher Form von Klerikalismus klar: „Einem Christen wird es jedoch niemals einfallen zu glauben oder gar zu sagen, daß er sich vom Gotteshaus zur Welt herabläßt, um dort die Kirche zu repräsentieren, oder daß seine Ansichten die einzig katholischen Lösungen für die entsprechenden Probleme darstellen. So etwas darf nicht sein! Das wär Klerikalismus, offizieller Katholizismus, oder wie ihr es sonst nennen wollt. In jedem Fall würde so der wahren Natur der Dinge Gewalt angetan.“

Diese leidenschaftliche Liebe zur Freiheit, bei ihm ganz und gar Frucht seiner lebendigen Verwurzelung in der organischen Einheit des Mystischen Leibes Christi, der Kirche, spiegelt sich in der Reife der von ihm ausgebildeten Laien wider: sie ist ein reiches und fruchtbares Erbe, das der Gründer des Opus Dei den Mitgliedern, aber auch allen anderen bewußten Christen anvertraut hat, damit daraus jener legitime und umsichtige Pluralismus erwachse, wie ihn das Ökumenische Konzil gewünscht hat. In seiner Homilie sagte Msgr. Escrivá de Balaguer: „Eure Aufgabe ist es, überall eine echte Laienmentalität zu verbreiten, aus der sich drei Schlußfolgerungen ergeben: man muß anständig genug sein, um die eigene Verantwortung auf sich zu nehmen; man muß christlich genug sein, um auch jene Brüder im Glauben zu respektieren, die in Fragen, die der freien Meinung überlassen sind, andere Ansichten vertreten als man selbst; und man muß katholisch genug sein, um sich der Kirche nicht für eigene Zwecke zu bedienen und sie nicht in rein menschliche Gruppeninteressen hineinzuziehen.“

Dieser Rat erklärt auch, wieso es möglich ist, daß die Söhne und Töchter von Msgr. Escrivá de Balaguer und alle, die sich seine Lehre zu eigen machen, in ihrem Streben nach der Heiligkeit und im Apostolat eines Sinnes sind und fest zusammenstehen, während sie auf politischem und ideologischem Gebiet die verschiedensten Meinungen und Positionen vertreten und damit einem weitgefächerten Pluralismus menschlicher Standpunkte Raum geben. Das ganze Geheimnis ist, daß sie, wie der Gründer sagt, in den zeitlichen Angelegenheiten „nur darin einer Meinung sind, nicht einer Meinung zu sein“, jedoch ein Herz und eine Seele sind im gemeinsamen christlichen Glauben und im Streben nach der Heiligkeit inmitten der Welt.

Der „christliche Materialismus“

Der zweite Grundgedanke – der christliche Wert des Alltagslebens – wird in der programmatischen Homilie von 1967 so dargestellt: „Den Studenten und Arbeitern, die ich in den dreißiger Jahren um mich sammelte (machen wir uns klar, daß bis zur Konstitution „Gaudium et spes“ noch weitere dreißig Jahre und mehr vergehen müssen!), pflegte ich zu sagen, sie müßten lernen, das geistige bzw. geistliche Leben zu materialisieren. Ich wollte sie damit vor der damals wie heute so häufigen Versuchung bewahren, eine Art Doppelleben zu führen: auf der einen Seite das Innenleben, der Umgang mit Gott, und auf der anderen Seite, säuberlich getrennt davon, das familiäre, berufliche und soziale Leben, ein Leben voll irdischer Kleinigkeiten. Nein! Es darf kein Doppelleben geben. Wenn wir Christen sein wollen, können wir diese Art Bewußtseinsspaltung nicht mitmachen; denn es gibt nur ein einziges Leben, welches aus Fleisch und Geist besteht, und dieses einzige Leben muß an Leib und Seele geheiligt und von Gott erfüllt werden, dem unsichtbaren Gott, dem wir in ganz sichtbaren und materiellen Dingen begegnen.“

Wohl wissend, daß seine Worte manch einem neu und ungewohnt klingen mochten, fuhr er nachdrücklich fort: „Der echt christliche Geist, der ja die Auferstehung des Fleisches bekennt, hat sich zu allen Zeiten gegen eine falsche Spiritualisierung empört, ohne Furcht, deshalb als Materialismus verurteilt zu werden. Ja, es ist durchaus berechtigt, von einem christlichen Materialismus zu sprechen, der sich mutig allen geistverneinenden Materialismen entgegenstellt.“

Mit diesem gleichzeitig originalen und orthodoxen Programm christlichen Bekennens und christlicher Heiligkeit neutralisierte Msgr. Escrivá de Balaguer im vorhinein die verschiedenen reduktiven Theologien der innerweltlichen Wirklichkeiten, die im Zuge der Säkularisierungswelle wie Parasiten um den üppigen Baum der Gaudium et spes emporgeschossen sind.

Heiligung der Arbeit

Die dritte Neuerung in der Spiritualität des Opus Dei, auf die ich anspielte, ist die theologische Bedeutung, die Msgr. Escrivá de Balaguer der beruflichen Arbeit beimißt, der alltäglichen Beschäftigung des Christen inmitten der Welt. Die Arbeit ist nach der Lehre des Gründers des Opus Dei das erste, was es zu heiligen gilt, und sie ist gleichzeitig das Instrument zur eigenen persönlichen Heiligung und zur Heiligung der anderen. Das bedeutet, daß das Leben des Christen nicht aus wirklichkeitsfremden Idealismen besteht, sondern Gestalt annehmen muß im konkreten Einsatz und in der Mitarbeit am Aufbau einer gerechteren Gesellschaft: ein Einsatz, der alles menschliche Tun adelt, von der brillantesten Arbeit bis hin zur unscheinbarsten, die verborgen bleibt. Im Anschluß an die Paulus-Worte „Alles gehört euch, ihr aber gehört Christus, und Christus Gott“ und „Möget ihr also essen oder trinken oder sonst etwas tun, tut alles zur Ehre Gottes!“, sagte Msgr. Escrivá: „Diese Lehre der Heiligen Schrift, die, wie ihr wißt, zum Kern der Spiritualität des Opus Dei gehört, muß euch dazu führen, eure Arbeit so vollkommen wie möglich zu verrichten, Gott und eure Mitmenschen gerade dadurch zu lieben, daß ihr in die Kleinigkeiten des Alltags Liebe hineinlegt. So werdet ihr die Spur des Göttlichen entdecken, die in den kleinen Dingen verborgen liegt.“ Und in einer anderen Homilie, die den Titel „Unterwegs zur Heiligkeit“ trägt, sagt der Gründer den Mitgliedern des Opus Dei: „Wenn der Glaube in der Seele lebendig ist, entdeckt man, daß die Schritte des Christen nicht vom gewohnten und alltäglichen Leben der Menschen abweichen; und daß die große Heiligkeit, die Gott von uns fordert, hier und jetzt in den kleinen Dingen des Alltags enthalten ist. Ich spreche gern von einem Weg, denn wir sind unterwegs zu unserer Heimat im Himmel, zu unserem Vater. Aber seht, obgleich ein Weg Strecken mit besonderen Schwierigkeiten aufweisen kann, obgleich wir gelegentlich einen Fluß durchwaten oder einen fast undurchdringbaren Wald durchqueren müssen, im allgemeinen ist ein Weg doch etwas ganz Gewöhnliches, ohne besondere Überraschungen. Die Gefahr besteht in der Routine: leichtfertig zu meinen, in den gewöhnlichen Dingen, in den kleinen Anforderungen jeden Augenblicks warte Gott nicht auf uns, weil die doch so einfach und normal sind!“

Heiliges Kreuz und Opus Dei

Wer sind nun die Mitglieder des Opus Dei, die diese neue und doch so einfache und natürliche Botschaft von der Heiligung der alltäglichen Arbeit ins Leben umsetzen? Die Antwort finden wir in einer anderen Homilie von Msgr. Escrivá de Balaguer: „Zusammen mit mir, einem sündigen Menschen, sind viele andere Christus nachgefolgt: ein geringer Prozentsatz von Priestern, die früher als Laien im Berufsleben gestanden haben; dann eine große Zahl von Weltpriester aus vielen Diözesen der ganzen Welt …; und schließlich jene große Schar von Männern und Frauen der verschiedensten Nationalitäten, Sprachen und Rassen, die – in der Mehrzahl verheiratet, viele andere unverheiratet – von ihrer beruflichen Arbeit leben und aktiv an der wichtigen Aufgabe mitarbeiten, die Gesellschaft menschlicher und gerechter zu machen. Seite an Seite mit ihren Mitmenschen gehen sie in persönlicher Verantwortung – ich betone es – ihrer täglichen Arbeit nach, haben Erfolge und Mißerfolge, bemühen sich, ihre Rechte und Pflichten in der Gesellschaft ernst zu nehmen. Sie betrachten sich nicht als etwas Besonderes, sondern verhalten sich wie jeder andere verantwortungsbewußte Christ wie einer unter den vielen anderen Berufskollegen. Aber sie setzen alles daran, jenes göttliche Leuchten zu entdecken, das selbst aus den ganz alltäglichen Wirklichkeiten hervorbricht.“

Unter den Tausenden von Personen, die dem Beispiel und der Lehre von Msgr. Escrivá de Balaguer gefolgt sind, dürften zwei in absehbarer Zeit zur Würde der Altäre erhoben werden: der eine ist der Ingenieur Isidoro Zorzano aus Argentinien, die andere eine junge Spanierin, Montserrat Crases; man sagt mir, der Seligsprechungsprozeß beider sei bereits weit fortgeschritten.

Der Priester, der ihnen den Weg zur Heiligkeit geöffnet hat, ist nun in die Ewigkeit wieder mit ihnen vereint. Das beredte Zeugnis, mit dem zahlreiche Personen aller Stellungen und Berufe in der ganzen Welt sein heiligmäßiges Hinscheiden begleitet haben, läßt auch für ihn an den Tag denken, an dem sein leuchtender Weg auf dieser Erde offiziell als beispielhaft erklärt wird für die ganze Kirche.

Er hatte gewollt, daß dieser Weg, den er für seine geistlichen Söhne und Töchter in einer faszinierenden Synthese von Menschsein und Christsein – ohne Bruch und ohne Spaltung – geebnet hat, „vom Heiligen Kreuz und Opus Dei“ genannt werde. „Der Herr – sagte er zu den Seinen in der soeben zitierten Homilie – zeigt sich uns gegenüber immer anspruchsvoller; Er fordert von uns Sühne und Buße, ja Er drängt uns, das brennende Verlangen in uns zu nähren, nur für Gott leben zu wollen, ans Kreuz genagelt mit Christus.“

Dieses brennende Verlangen war es auch, was inmitten aller Schwierigkeiten und Widerwärtigkeiten, allen Unverständnisses und aller Anfeindungen die ansteckende Gelassenheit und den unerschütterlichen Optimismus von Msgr. Escrivá de Balaguer nie hat wanken lassen.

Erschienen in Deutsche Tagespost, Würzburg 19.8.1975