Auch für Diözesanpriester

Enrique Pèlach, Altbischof von Abancay (Peru)

Bei einer der vielen Verfolgungen

Die erste Information über das Opus Dei – und zwar eine sehr gute – bekam ich im Jahr 1941. Der Anlaß war eine der vielen Verfolgungen, die der heilige Josefmaria Escrivá und sein Werk erleiden mussten; dieses Mal in Barcelona. Ich war noch Seminarist und dazu Vizerektor des Priesterseminars von Gerona. Der Rektor erhielt Nachricht darüber, dass man in Barcelona zwei junge Männer aus der Marianischen Kongregation ausgeschlossen hatte, weil sie Mitglieder einer "häretischen Sekte" waren, die sich Opus Dei nannte. Diese Nachricht erreichte uns im Priesterseminar von Gerona. Mehr wussten wir nicht. Der Rektor war alarmiert wegen der großen Nähe zu Barcelona, das nur 100 km entfernt liegt. Er sprach mit mir über diese Neuigkeit. Ich bot mich an, hin zu fahren und mehr über diesen Vorfall zu ermitteln.

In Barcelona wohnte Doktor Ricardo Aragó, ein Freund von mir, der Priester und Schriftsteller war und über Begebenheiten im kirchlichen Bereich immer bestens informiert war. Er konnte uns Genaueres über die Sache sagen. Dieser Priester, der älter war als ich, kam aus einem kleinen Dorf in der Nähe meiner Eltern, aber er lebte in Barcelona.

Ich fuhr mit dem ersten Morgenzug nach Barcelona und vom Bahnhof aus mit dem Taxi nach Sarriá, dem hochgelegenen Teil der Stadt, wo Doktor Aragó wohnte.

Er war ziemlich überrascht, als er mir die Tür öffnete.

- Oh Wunder! Was bringt dich hierher?

- Ich brauche eine Auskunft.

Und als wir uns gesetzt hatten, fragte ich ohne Umschweife nach der "Häresie" Opus Dei.

- Das ist keine Irrlehre, sagte er, sondern ein Werk, das sehr gut ist und eine große Zukunft in der Kirche hat.

Mir schien, ich hatte das Thema nicht gut formuliert und insistierte:

- Nein Doktor Aragó, ich frage nach einer Irrlehre, die sehr gefährlich ist und die besonders die Jugend auf falsche Wege führt.

- Ja, klar, das Opus Dei, wiederholte er; aber das ist keine Häresie, sondern eine Organisation, die eine große Zukunft in der Kirche hat. Es ist ein sehr gutes Werk.

Dann erzählte er mir bis in alle Einzelheiten, wer der Gründer war, wie das Opus Dei zur Welt gekommen war, was es wollte und warum es ungerecht verfolgt wurde, sogar von guten Leuten, die Häresien sahen, wo die Rede war vom allgemeinen Ruf zur Heiligkeit und vom Wunsch, mitten in der Welt – in der Arbeit und den normalen Tätigkeiten des Alltags – heilig zu werden.

Als ich wieder ging und den Zug nach Gerona nahm, war mir eines ganz klar: Das Opus Dei war nicht nur keine Irrlehre, sondern es handelte sich um ein Werk, das sehr gut war und eine große Zukunft in der Kirche hatte. Der Rektor des Seminars brauchte sich also keine Sorgen zu machen. Ich erzählte ihm detailliert von meiner Unterredung und ließ keinen Zweifel daran, daß wir nichts zu fürchten hatten, sondern uns freuen konnten, daß Gott eine so gute Sache in der Kirche geweckt hatte.

Das Heilige Jahr 1950

Gegen Ende der 40er Jahre, genauer gesagt, am 3. Dezember 1949, lernte ich den Gründer des Opus Dei persönlich kennen.

Rom sah dem Heiligen Jahr 1950, das außergewöhnliche Feierlichkeiten versprach, mit großer Erwartung entgegen. Der spanische Botschafter beim Heiligen Stuhl, Ruiz Jiménez, hatte die großartige Idee, ein gemeinsames Essen der Crème de la Crème der spanischen Kolonie in Rom zu organisieren, um über das Heilige Jahr ins Gespräch zu kommen. Und in jenen Jahren war ich gerade dort.

Im großen Speisezimmer des Kollegs saßen wir Schüler an den Tischen entlang der Wand und ließen die Tische in der Mitte – in Form eines großen T – für die Gäste frei.

Den Vorsitz führte Msgr. Escrivá, zusammen mit dem Botschafter, mit dem Rektor Jaime Flores, und anderen Persönlichkeiten. Es war der 3. Dezember mittags, ich werde das nie vergessen.

Msgr. Escrivá war ein gesuchter Gesprächspartner, alle grüßten ihn und sprachen mit ihm. Ich näherte mich ihm und als ich schon recht nahe war, drehte er sich nach mir um; ich stellte mich vor und fügte hinzu, dass ich ihn um einen Rat fragen wollte.

- Also, was ist es, mein Sohn.

In wenigen Worten legte ich ihm mein Projekt und meine große Schwierigkeit dabei dar: die Herren Bischöfe.

- Schau, mein Sohn, sagte er daraufhin zu mir: vor allem bete viel dafür; dann opfere Studium Arbeit, Stunden... auf; und danach geh und sprich mit jedem einzelnen Bischof ganz im Vertrauen; und an vierter Stelle setze es in die Tat um.

Mehr sagte er nicht und ich auch nicht. Ich dankte für seinen Rat und zog mich von der Gruppe zurück. Was er mir damals sagte, prägte sich mir so ein, dass ich es selbst noch nach Jahren wortwörtlich wiedergeben kann. Am 7. Januar kehrte ich nach Rom zurück. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich schon mit der Organisation begonnen, so wie ich es mir vorstellte.

Derweil verlief das Heilige Jahr in Rom wirklich prächtig. Mitte Mai war die Heiligsprechung von Antonio María Claret, einem katalanischen Heiligen, der Bischof von Kuba gewesen war. Viele Spanier kamen zu diesem Ereignis, und der Botschafter Ruiz Jiménez lud die ankommenden Persönlichkeiten und einige der römischen Kolonie wieder zu einem Essen im selben Palazzo Altems – dem spanischen Kolleg – ein.

Auch Msgr. Escrivá war geladen und so hatte ich Gelegenheit, ihm für seinen guten Rat zu danken. Wie das Mal zuvor – am 3. Dezember – ging ich nach dem Besuch beim Allerheiligsten zu ihm und sofort sagte er zu mir:

- Mein Sohn, ich erinnere mich an dich.

Und bevor ich noch etwas sagen konnte, nahm er mich beim Arm und wir gingen schnell von der Menge weg bis zu einer offenen Galerie, die es auf der anderen Seite des Hofes gab. Dor war niemand. Wir blieben stehen und er hörte mir zu, während ich ihm für seinen guten Rat dankte; ich erzählte, was ich unternommen hatte und daß das missionarische Projekt schon im Gange war.

Er sagte nichts dazu. Als ich mit meinen wenigen Worten fertig war, legte er seine Hand auf meinen Rücken, fasste meinen rechten Arm und drückte mich fest an sich. Dann gingen wir die Galerie entlang. Msgr. Escrivá begann, von einem ganz anderen Thema zu reden, obwohl es etwas mit meinem zu tun hatte. Er sprach über das Priestertum, die Heiligkeit, die Liebe zur Kirche, über persönliche Hingabe und davon, Christus an die Spitze aller menschlichen Tätigkeiten aufleuchten zu lassen. Ich war überwältigt! Mir wurde klar, daß ein Mann Gottes, ein wahrhaft heiligmäßiger Priester mit mir sprach.

Am Ende der Galerie angelangt, ließ er mich nicht los; wir machten kehrt und er redete weiter, mich immer noch fest an sich drückend. Ich erinnere mich daran, dass dieses Gehen etwas unbequem war, weil die beiden Soutanen sich verhedderten, aber am Ende der Galerie ließ er mich immer noch nicht los. Und so machten wir denselben Weg mehrere Male, wie oft, weiß nicht – acht oder zehnmal. Wir gingen langsam, während er mit feurigen Worten sprach und ich ab und zu eine Silbe einwarf.

Das Ganze machte auf mich einen unbeschreiblichen Eindruck. Plötzlich einem heiligen Priester zu begegnen, der sich so direkt und persönlich für das Wesentliche in meinem Leben interessierte, war etwas so Tiefgehendes, daß ich dieses ganze Gespräch, dessen Anteil meinerseits minimal war, nicht mehr rekonstruieren konnte, als ich es wollte. Der Eindruck hatte mich überwältigt und es kamen die Vorsätze...

Zu diesem Zeitpunkt konnte der Diözesanklerus noch nicht zum Opus Dei gehören. Einen Monat später war es dann soweit, am 16. Juni jenes Jahres 1950, als Pius XII. die endgültige Approbation des Opus Dei unterschrieb, das untrennbar mit der Priestergesellschaft vom Heiligen Kreuz, der sich Weltpriester würden anschließen können, verbunden ist. Damals wurde mir jene bedeutungsschwere Approbation, die so viel mit meinem Leben zu tun haben würde, nicht bekannt.

Das Opus Dei in Gerona

Nach Abschluß meiner Studien in Rom kehrte ich 1951 nach Gerona zurück. Im folgenden Jahr nahm eine Gruppe junger Männer an Besinnungstagen teil, die Florencio Sánchez Bella hielt, ein Priester des Opus Dei, der in Barcelona wohnte.

Bei ihrer Rückkehr machten sie im Haus meines Namensvetters und Freundes Enrique Salvatella Halt, der mich anrief und mich fragte, wann ich einen Priester vom Opus Dei empfangen könnte, der ihnen gerade in Bañolas Besinnungstage gehalten hatte und der mit mir sprechen wollte.

- Sieh mal, Enrique, sagte ich zu ihm, ich höre durchs Telefon den Lärm von Männerstimmen, die wohl zu jenen gehören, die die Besinnungstage gemacht haben.

- So ist es; sie sprechen gerade mit dem Monsignore.

- Also dann komme ich besser zu dir und so verliert er keine Zeit. Im Seminar sind wir schon in Ferien.

Innerhalb von zehn Minuten war ich im dritten Stock der Santa Clara Straße.

- Geh besser in mein Büro – entschuldigte sich Enrique –, denn das Haus ist voll.

- Ich kann sie hören, und sie scheinen sehr zufrieden zu sein.

- Es war fantastisch! Hier können sie in Ruhe reden. Ich sage dem Monsignore Bescheid.

Dann trat jener junge Priester – Don Florencio – ein. Als wären wir alte Freunde, grüßten wir uns kaum obwohl wir uns noch nie gesehen hatten. Mit seiner schnellen und flüssigen Art zu sprechen sagte er zu mir:

- Diese Herren haben Besinnungstage in Bañolas gemacht. Einige sind schon vom Opus Dei und andere möchten es sein. Ich habe sie gefragt, wer ihre Beichte hören und ihnen geistliche Leitung geben könnte, ein Priester, der das Opus Dei verstehen kann, denn ich wohne in Barcelona, und sie haben gesagt: Monsignore Pèlach. Alle scheinen dich zu kennen. Bist du einverstanden?

- Einen Augenblick, sagte ich.

- Hast du ein Problem bezüglich des Opus Dei?

- Nein, überhaupt nicht. Ich bewundere es, aber ich kenne es kaum. Du sagst, einige sind schon vom Opus Dei und andere möchten es sein. Du wirst mir einiges über das Opus Dei erzählen müssen, denn wie soll ich sie sonst geistlich leiten?

- Sieh mal, diese Männer haben eine durch und durch säkulare Spiritualität, wie sie ein Diözesanpriester hat.

Wie von der Tarantel gestochen stand ich plötzlich auf meinen Füßen.

- Was gibt es im Opus Dei für die Diözesanpriester? fragte ich.

Don Florencio fing an zu lachen und sagte:

- Setz dich wieder hin... – Und dann erzählte er mir ....

Während ich ihm zuhörte, dachte ich daran, dass ich in den Jahren, die ich in Rom in der Universität verbracht hatte, nichts davon erfahren hatte und sagte im Brustton der Überzeugung:

- Dann muß es viele Diözesanpriester im Opus Dei geben!

- Weißt du, im Werk zählen keine Statistiken – war das einzige, was er darauf antwortete.

Ich gestehe, dass mich das besonders erfreute. Man muss das Gute ohne Aufsehen tun. (Trotzdem – später erfuhr ich, dass ich der erste Diözesanpriester in Spanien und weltweit gewesen bin, der um die Aufnahme in die Priestergesellschaft vom Heiligen Kreuz bat.)

Don Florencio fuhr fort, mir Einzelheiten über diese Neuheit zu erzählen, die ich nach und nach entdeckte und die mich immer mehr faszinierte. Als er von der Universalität des Werkes sprach, fragte ich ihn:

- Ist vorgesehen, dass ein Diözesanpriester in die Mission gehen kann?

- Ja, antwortete er, aber der Vater hat in einer Instruktion niedergelegt, daß er in einer Gruppe gehen und sichergestellt sein muß, daß er immer menschlich und übernatürlich gemäß unserem Geist betreut wird.

Ichsprang schon wieder auf und rief voller Überzeugung:

- Wenn das so ist, trag mich ein!

- Nein, jetzt nicht. Du mußt darüber nachdenken und darum im Gebet bitten.

- Trag mich ein! – wiederholte ich. Ich hab es mir gut überlegt und auch Gott empfohlen. Ich habe so etwas in ganz Europa gesucht.

- Und am Ende hast du es hier in Gerona gefunden, sagte er mit einem Lächeln.

Wir sprachen noch eine Weile weiter, dann sagte er mir, er würde in acht Tagen wiederkommen und wir würden weiterreden. Ich solle meine Berufung zum Opus Dei der Muttergottes empfehlen. Wir verabschiedeten uns.

Als ich die Treppe hinunterging, fiel mir auf, dass wir gar nicht über die geistliche Leitung jener Männer, sondern nur über mich gesprochen hatten.

Ich ging strahlend vor Freude und während meine Phantasie und meine Gehirn emsig tätig waren, meinen Weg, als ich plötzlich anhielt und vor mich hinflüsterte: „Estic pescat!“ ... [sie haben mich gefischt]. Das Geräusch meiner eigenen Worte weckte mich aus meinen Gedanken und ich beeilte mich, zum Tabernakel der Kirche des Priesterseminars zu kommen.

Und ich wartete

Und ob ich betete!... Ständig! Immer wieder dachte ich an die große Entdeckung. Dort war der verborgene Schatz, den ich in sieben Nationen gesucht hatte, die kostbare Perle des Gleichnisses aus dem Evangelium. Ich war glücklich.

Die acht Tage gingen ausgesprochen langsam vorbei und es wurden sogar zehn, bis er kommen und mit mir sprechen konnte. Es kam aber gar nicht Don Florencio, sondern ein anderer Priester, Don Emilio Navarro. In unserem Gespräch, das mehrere Stunden dauerte, erklärte er mir den Geist des Opus Dei bis in seine Einzelheiten. Er gab mir auch eine Schrift des Gründers zu lesen; und er sagte mir, dass Gott jeden da ruft, wo er steht und dass niemand seinen Platz verlassen muss, weil er eine Berufung zum Opus Dei hat. Als logische Folge davon würde ein Diözesanpriester immer seinem Bischof gehorchen. Ich hätte keinen Oberen im Opus Dei, nur jemanden, durch den ich den Geist mitgeteilt bekäme, der dem Vater Escrivá von Gott eingegeben worden war, und die übernatürliche Hilfe, um mich in der Ausübung meines Amtes zu heiligen, "denn das ist die Arbeit des Priesters", fügte er hinzu. Er sprach über die Einheit des Lebens, die Bedeutung der kleinen Dinge, darüber, das normale Leben zu lieben, sehr verbunden mit den anderen Priester zu sein, vom "nihil sine episcopo", und von vielem mehr.

Ich war mit allem einverstanden und wollte meine Ganzhingabe so schnell wie möglich offiziell machen. Daher noch einmal: "Trage mich beim Opus Dei ein." Er lächelte ... und sagte, in acht Tagen käme Don Florencio und mit ihm sollte ich darüber sprechen. Derweil hieß es, weiter darüber nachzudenken und es Maria zu empfehlen, die uns sehr liebt. Er gab mir die Adresse von Don Florencio und wir verabschiedeten uns.

Wie schön war das alles! Was für eine großartige Erfindung, dass der Diözesanpriester sich nie allein fühlt und immer die nötige menschliche und übernatürliche Begleitung hat! Klar, dass das eine Eingebung Gottes war. Diese und andere Gedanken ließen mir das Warten lang werden. Warum wollten sie mich nicht aufnehmen, wenn ich ihnen doch eins ums andere Mal gesagt hatte, dass ich die Sache klar sähe und vollkommen entschieden war? Ab und zu sang ich ein Liebeslied vor mich hin, das so beginnt: "Wer wartet, verzweifelt...", um später zu enden: "Das Glück wird kommen."

Don Florencio kam weder nach acht noch nach zehn Tagen. An den drei Tagen war ich zur Bahnstation gegangen, um ihn zu erwarten, und nichts. Ich stieg in den ersten Zug nach Barcelona und ging nach Monterols.

- Was führt dich her? fragte er, als er mich sah.

- Wie "was mich herführt"!

Er umarmte mich und wir zogen uns in ein Zimmer zurück. Lange Zeit sprachen wir miteinander und als ich hinausging, wusste ich, dass ich einen einfachen Familienbrief an den Vater schreiben musste mit der Bitte, in die Priesterliche Gesellschaft vom Heiligen Kreuz aufgenommen zu werden.

(Da merkte ich, dass man uns nicht "einträgt", wenn wir Mitglied werden wollen...)

"Bis es so weit ist – sagte er beim Abschied –bete weiter und bringe Opfer. Und wenn ein Fest der Muttergottes ist, das dir gefällt, dann schreibe den Brief: einen einfachen Familienbrief an den Vater" – wiederholte er.

Ich schrieb ihn am 5. August 1952. An dem Tag wird das Fest Maria Schnee gefeiert. Es ist das Fest der Kirche Santa Maria Maggiore, der ersten Kirche, die im Okzident zu Ehren der Muttergottes gebaut wurde. Gefallener Schnee zeigte den Ort in Rom an. Das war nach dem großen Konzil von Ephesus, das als Glaubensdogma definierte, dass die Mutter Jesu, des Sohnes Gottes, wirklich Mutter Gottes ist. Ich wollte meine Ganzhingabe im Opus Dei, von der ich nie mehr lassen wollte, in die Hände der Jungfrau Maria legen. Sie würde mir helfen, treu zu sein.